vor ein paar jahren galt die kernenergie noch als ein auslaufmodell. zu gefährlich, zu teuer und kein halt in der bevökerung war der breite konsens. seit über einem jahr betreibt die atomlobby eine äußerst agressive strategie. in angesehenen zeitschriften, zeitungen, studien, wird die atomkraft als “unverzichtbare waffe im kampf gegen den klimawandel” bezeichnet, und die atomindustrie versucht vor allem bei der politik stimmung für die atomkraft zu machen, und dabei die atomkraft als ein bedeutendes standbein in der energiepolitik der zukunft wieder zu etablieren.
die atomkraft sei die einzige möglichkeit, die herannahende globale klimaveränderung abzuwenden. nur mit hilfe der atomkraft hätte man die möglichkeit zur reduktion von treibhausgase. außerdem würde man, mit dem forcierten ausbau von AKWs, die zivilisierte welt von der abhängigkeit von schurkenstaaten befreien, und den rückzug aus krisenregionen ermöglichen. außerdem dränge das versiegen der öl-quellen zu raschen entscheidungen. und auf einmal ist aus regierungskreise von einer akuten energiekrise die rede, aus der es nur eine rettung gibt, und die heißt kernkraft.
ende november 2005 ist der plan der atomlobby aufgegangen. in den medien kaum erwähnt, hat blair eine politische kehrtwende in der energiepolitik vollzogen. ursprünglich sollte GB bis 2023 aus der atomkraft aussteigen. noch 2003 war eine regierungsstudie zu dem ergebnis gekommen, dass der bau von atomkraftwerken “unattraktiv” sei. statt aus der kernenergie auszusteigen, sollen nun aber neue AKWs gebaut werden, und der derzeitige anteil der kernenergie von 20 prozent auf 30 bis 35 prozent ansteigen. die vorteile der gewinnung von energie aus der kernkraft läßt blair nun in einer neuen studie ausarbeiten. hinter den kulissen scheint aber das revival der atomkraft längst beschlossene sache zu sein.
nicht nur in großbritannien gilt der ausbau der kernenergie als entschieden. da das öl bald aus ist, und aus der kernfusion nichts wird, bleibe nur die kernkraft. angeblich reichen die alternativen - nicht verbrauchbaren - energieträger wie sonnenenergie, windräder, wellen- und gezeitenkraftwerke, nicht aus, um die versorgungslücke in der zukunft zu schließen.
innerhalb von 15 jahren will die EU daher die kapazität der atomkraft gewaltig ausbauen. mehr und größere AKWs müssen her. die EU buttert milliarden an euro in die entwicklung eines neuen reaktortyps. es wird ein einheitliches, standartisiertes EU-AKW mit 1600 megawatt elektrische leistung angestrebt. mit dem neuen, standardisierten AKW könnten dann rasch und billig kraftwerke in serie gebaut werden.
der witz an dem ganzen ist aber, dass laut zahlreicher studien, die geschätzten <strong>uranreserven nur für ungefähr 70 jahren</strong> - bei derzeitigem verbrauch (!) der derzeit aktiven 440 kernreaktoren - ausreichen soll! die derzeitige weltweite renaissance der atomkraft ist da noch gar nicht mitgerechnet. zahreiche aufstrebende staaten wie china, indien, brasilien, süd-korea, aber auch russland, die eu, japan, wollen in zukunft verstärkt auf die atomkraft setzen. nach plänen sollen in etwa 15 jahren eine wahre flut an neuen AKWs bevorstehen.
der ausbau der kernenergie würde sehr schnell zu einem versorgungsengpaß an uranerzen führen. dh die derzeitge öl-kriese - die sich noch katastrophal auswirken wird - könnte es in 70, 80 oder 100 jahren nochmal geben! verknappung von essentiellen mittel macht sich scheinbar bezahlt und wird zu einem erfolgsmodel.
der energiesektor ist ein stark umkämpftes feld, in dem es viel geld und macht zu erringen gibt. nicht umsonst kommt der präsident des stärksten staates aus eineröl-energie-dynastie. durch monopolstellungen kann man diese macht auch halten. wenn jeder haushalt zum großen teil dezentral seinen eigenen energieverbrauch decken könnte, wäre das schöne spiel zerstört. nur knappe, essentielle güter haben einen hohen preis.
jetzt könnte man noch etwas gegen dieser entwicklung unternehmen. wenn die kernkraftwerke erst gebaut sind, das geld weg, und das system gut läuft, gibt es kein zurück mehr. zu viele menschen werden daran gut verdienen und davon gut leben, als dass man diese entwicklung einfach rückgängig machen könnte.
eine ähnliche fehlentwicklung ist bereits vor über 100 jahren eingetreten. schon um 1890 herum wird in wisschenschaftlichen publikationen eingesehen, dass eine wirtschaft, die auf kohle und öl, also auf endliche energieressourcen setzt, letztlich zum scheitern verurteilt ist. schon damals, wird daher empfohlen auf wasserkraft, windräder, - und auch auf wasserstoff und brennstoffzellen (man glaube es kaum) - zu setzen. lange zeit war auch ungewiss ob elektro- oder verbrennungsmotor in der zukunft des transportwesens die vorreiterrolle haben würde. man hatte über hundert jahre lang zeit das absehbare ende der kohlehältigen energieträger zu überwinden. erst jetzt kommt aber die politik, panisch, darauf etwas dagegen zu unternehmen. die lösung: <strong>der neue energieträger soll wiederum ein knappes gut sein, dass in wenigen jahrzehnten nur mit gewalt, mühe und not zu beschaffen sein wird.
ich für meinen teil hätte nichts dagegen, wenn diese, nun seit über 300 jahren geführten konflikte um energiequellen, aufhören würden und in zukunft technologien eingeführt würden, die unseren heißhunger nach energie friedlich sättigen können. es gibt noch genug andere konflikte - wie die um nahrungsmittel, wasser, boden usw. - die uns das leben noch schwer genug machen werden.
christo christoph